Meine Liste. Erstaunlich wie viel Kraft mir früher die Abnehmversuche genommen haben und wie viel Kraft ich nun aus den archäologischen Ausgrabungen in meiner Persönlichkeit schöpfe. Ja, ich finde es nun richtig spannend. Und ich arbeite an den Punkten, nicht weil ich muss. Ich mache es, weil ich ein Selbstwertgefühl entwickle. Ich bin es wert, dass ich mir Zeit nehme für mich. Seit dem letzten Gespräch mit der Katze fiel es mir gar nicht mehr schwer sich Auszeiten zu gönnen. Bin ich müde? Ja, dann lege ich mich hin. Punkt und es gibt keine Diskussion.
Klar
war das nicht immer möglich und natürlich war ich manchmal immer
noch ziemlich geschafft. Aber ich entschied mich gegen das
Schwarz-Weiß-Denken. Es gab nicht mehr so oft „NIE“ in meiner
Ausdrucksweise und „IMMER“ verschwand auch so langsam. Ich habe
ein Recht auf Fehltritte und Fehlentscheidungen. Es ist okay, wenn
ich mal einen Keks esse. Da mache ich mir deshalb keine
Schuldgefühle. Wozu auch? Was bringt mir das? Wenn ich diesen Keks
gegessen habe, dann habe ich das ja getan um mich zu beruhigen.
Solange ich keine anderen Strategien habe, muss ich meinem Körper
dankbar sein, dass er versucht Stress so abzubauen. Nicht die ideale
Lösung, nicht die beste, aber immerhin, eine Lösung. Ich suche nach
den Alternativen, das ist das Wichtigste.
Was war
denn nun Punkt 8 auf meiner Liste. Warum sollte ich noch nicht
abnehmen? Wenn ich auf einen Schlag weniger wiegen würde oder mein
Gewicht sich langsam und vorsichtig reduzieren würde, dann würde
ich mir neue Sachen kaufen müssen. Oh, was fällt mir da auf. Einen
Moment mal! Ich sage: wenn ich weniger wiegen würde und wenn das
Gewicht weniger wäre. So als ob es von alleine geschehen soll. Warum
auch nicht? Der Gedanke ist mir neu, gefällt mir aber. Wenn ich ein
Gewicht habe, dass ich mühelos halten könnte, wäre das nicht mein
Idealgewicht? Ich muss darüber irgendwann später mal grübeln.
Zurück
zur Garderobe. Ich hatte geschrieben, dass ich geizig bin. Nein, das
bin ich aber gar nicht, wenn ich ehrlich bin. Großzügig. Wenn ich
Geld habe, lade ich gerne meine Freunde im Cafe ein. Und beim
Einkaufen zähle ich auch nicht jeden Cent. Wenn ich Lust auf etwas
habe, dann ist der Preis überhaupt nicht wichtig. Für meine Kinder
gebe ich auch gerne Geld aus. Und bei den Geschenken spare ich auch
nie. Warum also würde es mir so schwer fallen neue Klamotten zu
kaufen?
Was
würde die Katze jetzt antworten? Nein, was würde sie mich nun
fragen? Wahrscheinlich wäre sie genauso vorgegangen. Sie hätte mich
gefragt, ob ich in anderen Lebensbereichen auch geizig bin. Bin ich
nicht, hab ich schon festgestellt. Wenn ich mir was zu Essen kaufe,
dann bin ich nicht geizig. Das ist doch schon mal ein Anfang. Wie
sieht es mit Pflegeprodukten aus? Da ist mir Qualität wichtig, für
meine Haut nur das Beste, müssen nicht Markenprodukte sein, aber
Aluminium sprühe ich mir nicht in die Achselhöhlen. Was kaufe ich
noch so? Schuhe. Das ist ein Zwischending. Nichts Essbares und auch
keine Kleidung. Für mich. Bin da aber ein Minimalist, habe keine 40
Paar Schuhe im Schrank. Bequem müssen sie sein, ich muss damit
tanzen und gehen können.
Aber
was noch? Mir fällt nichts ein. Sackgasse? Aber nein, was fällt mir
da auf. Es geht nur um Klamotten. Das ist doch schon ein Schritt nach
vorne. Warum aber eben nur die? Wenn ich schön angezogen bin, dann
wirke ich attraktiv. Will ich das? Oh, das hatten wir doch schon im
Zusammenhang mit Männern und meiner Angst vor ihnen. Habe ich
übrigens noch welche? Weiß nicht. Weniger geworden ist sie auf
jeden Fall. Also schön aussehen und sich bequem füllen. Darf ich
mich denn bequem füllen in meiner Haut. Nee, nicht wirklich,
irgendwas in mir verbietet es förmlich.
Ach,
ist das nicht putzig! Das ist doch wieder mein Selbstwertgefühl! Ich
denke, dass ich es nicht wert bin, mir neue Sachen zu kaufen. Für
andere ja, für mich nicht. Und natürlich sitzt da auch ein wenig
die Angst vor den männlichen Blicken dahinter. Wer hätte gedacht,
dass das so einfach ist?
So,
jetzt fühle noch mal nach. Wie ist es jetzt? Könntest du dir
vorstellen den Kleiderschrank aufzufüllen oder deine zu groß
gewordenen kleiner zu machen? Wieso nicht? Ich bin es mir doch wert!
Hach, fühlt sich das gut an...
Kommen
wir zum vorletzten Punkt: Das Übergewicht spielt in meinem Leben
eine große Rolle. Es nimmt viel Platz ein. Da kann ich nicht einfach
hergehen und den Kampf gegen mich selbst aufgeben. Da bleibt doch
eine unglaubliche Leere. Und wenn ich den Raum mit etwas anderem
fülle? Wenn in meinem Leben auf einmal so viel Spannendes los ist,
dass ich ans Abnehmen nicht denken kann? Weil mir erstens die Zeit
dazu fehlt und zweitens die anderen Sachen viel interessanter sind.
Wie wäre das?
Der
Punkt hat sich ja schnell erledigt. Wobei es ja nur ein Plan ist, die
Umsetzung wird noch etwas dauern. Mal überlegen, ich bin gerade
etwas über dreißig, möchte so bis neunzig leben. Habe also noch
gute sechzig Jahre für die Verwirklichung. Locker und entspannt,
statt überfordert mit den eigenen Vorstellungen. Nein, ich möchte
nicht mehr masochistisch sein. Ich möchte nicht mehr leiden. Ich
entscheide mich für die Leichtigkeit. Wie im Leben insgesamt, so
auch vom Körpergefühl her.
Halt,
ein Gedanke will noch hinterher! Ich habe dem Thema „Schlank-Sein“
und „Gewichtreduzierung“ so viel Wertung gegeben. Also werde ich
auch diejenige sein, die diese Wertung da auch wieder raus nimmt. Wer
sonst? Ich möchte einerseits, dass das Gewicht sich von alleine
normalisiert, ohne große Mühe und Anstrengung. Denn je mehr Kraft
ich in etwas stecke, desto mehr Widerstand wird entstehen. Das ist
doch klar wie Kloßbrühe! Aber andererseits ist mir klar, dass
keiner für mich meine Gewohnheiten ändern wird. Und mein
Essverhalten auch nicht.
Wenn
ich also Lust auf einen Schokoriegel habe, dann kann ich ihn einfach
mampfen und nicht nachdenken. Oder zumindest kurz inne halten und
mich fragen, warum ich ihn gerade essen will. Was fehlt mir wirklich?
Ist mir langweilig? Versuche ich etwas Unangenehmes hinaus
zuschieben? Bin ich frustriert oder wütend oder vielleicht traurig?
Wird der Schokoriegel mir wirklich helfen? Vergeht die Langeweile,
die Wut oder die Traurigkeit? Werde ich mich weniger verletzt fühlen?
Nein.
Die Schokolade ist nur ein Pflaster. Kann ich evtl. ein anderes
Wundheilmittel verwenden? Ein wirksameres? Oder eines, dass mir nicht
schadet? Ich muss die Wunde ja nicht sofort betäuben. Erst
begutachten und sich klar machen, was da wirklich los ist. So, nun
ist glaub ich die Gedankenschale zu diesem Thema leer. Puh, wurde ja
doch mehr als ich dachte.
And
last but not least: Ich hatte geschrieben, dass ich das Übergewicht
brauche, damit ich mich immer wieder als Versagerin fühlen kann. Als
eine Art Bestätigung, dass ich zu Nichts fähig bin. Aber stimmt das
denn wirklich? Die Katze würde jetzt bestimmt das Ego ins Gespräch
bringen. Und wie Recht sie damit hätte! Dem Verstand passt es doch
wunderbar, das ich mich unterschätze. Ein guter Sklave ist ein
gehorsamer Sklave, ein unterdrückter, einer mit einem gebrochenen
Willen. Einer, dem klar ist, dass nichts zu ändern ist. So einer
erträgt alle Erniedrigungen, alle Peitschenhiebe.
Nein,
liebes Ego, ich lasse mich nicht mehr peitschen. Ich bin ein freier
Mensch und ich brauche das nicht mehr. Ich will mich nicht als
Versagerin fühlen. Ich weiß, dass ich was kann. Manchmal rutsche
ich aus, aber das tun alle. Und überhaupt kann ich mir gar nicht
vorstellen, dass ich wegen nur einem Lebensbereich, in dem es nicht
so läuft, wie ich es mir vorstelle, wegen dem einen mich mies fühlen
soll. Ich habe doch genug andere Gebiete, in denen ich erfolgreich
und glücklich bin. Und auch dort geht es mal rumpelig zu, eitler
Sonnenschein wäre ja auch auf die Dauer irgendwie langweilig. Ich
habe eine Familie, eine liebevolle Familie. Einen Mann, der mich
liebt und mich unterstützt soweit er kann. Zwei gesunde,
intelligente und vor allem lebensfrohe Kinder. Und meine eigenen
Eltern leben auch noch. Was ich da an Unterstützung auch schon
bekommen habe!
Ich
habe ein Zuhause, ein Dach über dem Kopf und komfortabel ist es auch
noch. Es tropft nicht von der Decke, wenn es draußen regnet. Es
pfeift nicht in den Ritzen, wenn es mal windig wird. Fließendes
Wasser (heiß und kalt!) ist da, Heizung funktioniert auch
einwandfrei, Licht habe ich, wenn es dunkel wird. Und Abwasser wird
reibungslos abtransportiert. Nicht nur das! Mein Kühlschrank und
meine Küchenschränke sind voll mit allem, was ich brauche. Nudeln,
Getreide, Nüsse in allen Variationen. Frisches Obst und Gemüse zu
jeder Jahreszeit.
Was
will man mehr? Bin ich schon so verwöhnt, dass wenn alle täglichen
Bedürfnisse gedeckt sind, mein Verstand sich ein Problem sucht? Kann
das auch ein Punkt sein? Durchaus, aber nun will ich mir ein warmes
Bad gönnen. Mit Schaum, Lavendelblüten und Bergamotte-Öl.
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