Ich
habe gar nicht gewusst, dass wir im Park diesen Ort haben. Wenn die
Kirschen im Frühling blühen, ja, dann sieht man sie. Aber dass sie
so im Dreieck angeordnet sind, das ist mir noch nie aufgefallen. Und
diese Bank erst. Mensch, die sieht man gar nicht. Mitten im Park und
doch so ganz für sich alleine. Meine graue Katze saß schon da und
sah in die Ferne.
-
Hallo, - sagte ich und streichelte sie zur Begrüßung.
- Ich
habe dir rohen Schinken mitgebracht. Ich wusste nicht, was du gerne
magst, - fügte ich noch hinzu.
- Wäre
nicht nötig gewesen, - antwortete sie, aß aber die hauchfeinen
Scheiben auf.
- Was
machen wir heute? - frage ich.
- Wie
immer, reden, - schnurrte sie.
- Ja,
aber worüber?
- Was
liegt dir auf dem Herzen?
- Naja,
meine Liste hat ja noch mehrere Punkte...
Ich
holte meinen Block raus.
-
Möchtest du den vierten Punkt zerlegen? - fragte die Katze
vorsichtig.
- Ja, -
sagte ich hatte auf einmal einen Kloß im Hals. - Ich möchte stark
auf andere wirken.
-
Netter Wunsch, - schmunzelte die Katze. - Und warum?
- Weiß
ich nicht. Bin wohl öfter verletzt worden, daher habe ich Angst,
dass es wieder passieren kann.
- Hm,
und wenn du stark bist, dann meinst du, dass dich keiner verletzt?
Nee, du grenzt dich einfach ab. Aber es wird immer Konflikte geben,
wenn zwei verschiedene Interessen aufeinander treffen. Konfliktlos
kannst du nur leben, wenn du keinen nahen Kontakt hast, zu niemandem,
aber auch wirklich zu niemandem.
Die
erste Träne sammelte sich im Augenwinkel und lief langsam die Wange
runter.
- Aber ich kann nicht. Ich kann keine Nähe zulassen, - sagte ich leise und war selbst sehr überrascht. Ich bin doch so kontaktfreudig, so offen, so gesprächig. Und doch geht der Kontakt immer nur bis zu einem gewissen Grad. Wenn es mir dann nicht gut geht, dann verziehe ich mich in mein Schneckenhaus und versuche es alleine zu schaffen.
- Aber ich kann nicht. Ich kann keine Nähe zulassen, - sagte ich leise und war selbst sehr überrascht. Ich bin doch so kontaktfreudig, so offen, so gesprächig. Und doch geht der Kontakt immer nur bis zu einem gewissen Grad. Wenn es mir dann nicht gut geht, dann verziehe ich mich in mein Schneckenhaus und versuche es alleine zu schaffen.
- Deine
Verhaltensweise ist zwar lobenswert. Du willst den anderen keine
Umstände machen, aber du musst auch an dich denken. Überlege doch
mal, wenn eine Freundin von dir dich anruft und völlig aufgelöst
ist, was denkst du da? Denkst du wirklich: So eine Memme? Du lässt
sie ausreden, du bist aufmerksam, du sucht nette Worte. Warum sollte
es den Anderen den anders gehen?
- Du
hast ja Recht. Aber ich habe einfach Angst vor den Menschen. Wenn ich
wirklich ehrlich zu mir bin, dann sehe ich in jedem Menschen eine
Gefahrenquelle. Jeder, aber auch jeder könnte der Nächste sein, der
mir eine neue Wunde hinzufügt.
- Dir
ist dabei klar, dass das ein absoluter Unsinn ist? Völlig
irrational. Warum sollten sie das tun? Warum glaubst du, dass alle
Menschen böse sind?
- Weil
meine ersten Vertrauenspersonen eben gemein zu mir waren! - sagte ich
laut.
- Du
meinst deinen Bruder? Darf ich dir da helfen? Du kannst doch das
helle Innere der Menschen sehen, richtig? Wundere dich nicht, ich
weiß noch mehr über dich. Du glaubst zwar, dass du den Menschen
dafür berühren musst, aber du täuschst dich. Schließe deine
Augen, stelle dir deinen Bruder vor...
Unglaublich!
Es funktionierte tatsächlich auch ohne Anfassen. Eine Lichtgestalt
stand vor meinem inneren Auge. So wunderbar, wie jede andere auch.
- Aber
wie kann es sein? Wie kann jemand, der so wundervoll und so voller
Licht ist, so etwas getan haben?
- Tja,
es gibt keine bösen Menschen. Wenn jemand dir weh tut, dann zeigt er
dir nur: Hier ist noch Handlungsbedarf. Hier hast du noch etwas zu
verarbeiten.
- Nein,
das kann ich zwar nachvollziehen, wenn mein Mann mich verletzt und
ich mich dabei an meine Kindheitswunden erinnere. Aber wie soll das
bei einem Kind funktionieren?
- Wenn
du eine Seele wärst, die keine Verletzungen mehr hat, dann würdest
du doch nicht wieder geboren werden. Ist doch logisch, oder?
Ganz
schön ketzerisch, diese Katze!
-
Lassen wir mal diese Diskussion. Sag mir lieber, wie ich dieses
„Stark-Sein-Wollen“ los werden soll.
Die
Katze reckte sich und legte sich bequem hin.
- Ihr
Menschen seid doch wunderliche Wesen. Ihr baut etwas auf ohne zu
wissen warum und dann wollt ihr es auch noch zerstören ohne sich zu
fragen, welche Funktion es hat.
- Was
meinst du damit?
- Na,
du willst es loswerden, wie du sagst. Aber hast du dich gefragt, wozu
du es erschaffen hast? Hast du dir mal überlegt, wie gut es dir
gedient hat? Dieses Streben nach Stärke und Kraft oder eher das
Streben so aussehen zu wollen, das hat dir doch in manch so einer
Situation geholfen. Es hat dir Halt gegeben. Und nun willst du dir
diese Krücken entreißen ohne zu überprüfen, ob du auch ohne
laufen kannst.
Sie hat
mal wieder Recht. Mir hat dieses Verhalten immer wieder gut getan.
Ich habe mich so in Sicherheit gewogen, dass mir keine Schmerzen mehr
hinzugefügt werden.
- Sag
mal, heißt das etwa ich soll anfangen, den Menschen zu vertrauen? -
fragte ich und meine Nase verzog sich dabei so als ob ich Kuhmist
gerochen hätte.
- Ganz
genau, meine Liebe, ganz genau.
- Ich
weiß aber nicht, wie es geht... - jammerte ich.
- Dann
wird es höchste Zeit es zu lernen. In vielen kleinen Schritten.
Immer wenn du merkst, dass du jemandem misstraust, dann brich diesen
Gedanken ab und sag dir „Mir passiert nichts Böses“ oder was
Ähnliches. Ruf auch mal eine Freundin an, wenn es dir mies geht.
Oder schreib ihr zumindest. Aber ich merke, du bist mit deinen
Gedanken ganz wo anders.
- Ist
nicht einfach sich mit jemandem zu unterhalten, der deine Gedanken
lesen kann, - lächelte ich. - Ich habe wieder etwas zugenommen und
kämpfe gegen die Versuchung eine neue Diät auszuprobieren. Diesmal
ist es was Supergesundes, grüne Smoothies.
-
Schmecken sie dir? - fragte die Katze.
- Naja,
wenn ich ein Glas am Tag trinke, ja. Aber zwei Liter ist schon etwas
schwierig.
- Und
warum willst du es dir dann antun? - fragte sie erneut.
- Naja,
meine Hosen passen nicht mehr.
- Dann
besorge dir halt größere.
- Nein,
das geht nicht, dann muss ich ja in einem Monat wieder neue holen.
- Tja,
warum glaubst du, dass du besser weißt, welches Gewicht für deinen
Körper das ideale ist? Folgst blind irgendwelchen Idealen. Du bist
nun mal nicht schlank und zierlich. Akzeptiere dich doch endlich so
wie du bist. Du musst nicht jemand anderer sein.
Ich
schwieg. Was sollte ich auch antworten? Mein Verstand wehrte sich
gegen diese Worte. Ich hatte ja zwar zehn Gründe, warum ich nicht
abnehmen will, aber wenn ich mir Sorgen um mein Aussehen mache, dann
hat mein Ego viel Macht über mich.
- Nun
gut, dann versuchen wir es auf eine andere Tour. Ich kläre dich kurz
über Diäten auf. Erstens: Keine Diät funktioniert wirklich. Denn
was ist dein Ziel? Nur Gewichtsreduktion? Nein, du willst abnehmen
und dein Gewicht halten. Und das kriegst du mit keiner Diät hin.
Irgendwann brichst du zusammen. Irgendwann kannst du dich nicht mehr
so streng kontrollieren. Wenn du deine Ernährung umstellst, dann
musst du auch deine Gewohnheiten ändern. Dein ganzes Leben
umkrempeln. Du musst so leben, dass du keinen Trost durch Essen mehr
brauchst. Verstehst du?
- Ja,
das klingt alles sehr logisch.
- Gut,
dann kommt jetzt zweitens: Jede Diät funktioniert.
- Wie
bitte? Du hast doch gerade gesagt, dass keine Diät funktioniert!
- Wie
erklärst du dir dann die Menschen die mit Rohkost oder Trennkost
oder sonst was abnehmen? Jede Diät verspricht dir: Du wirst so und
so viele Kilos verlieren. Und das tust du ja auch. Wir selbst hören
da ein anderes Versprechen: Du wirst mühelos so bleiben wie du jetzt
bist. Wir selbst. Kannst du mir folgen?
-
Irgendwie schon.
- Dann
habe ich für dich noch was: Um abzunehmen, musst du genug essen.
Denn wenn du ständig im Halbhunger dahin vegetierst, so wie die
ganzen Modells, Zustand von kontrolliertem Hunger nenne ich das, dann
wirst du nie wirklich glücklich sein. Und vor allem gönnt man sich
dann zu viele Zwischenmahlzeiten. Einerseits gut, weil dein Körper
ja doch an seine Kalorien kommt und sich nicht die Energie aus den
Muskeln holen muss. Andererseits, bevor du abnimmst, muss du dir klar
machen, warum du zugenommen hast.
- Das
sehe ich ein, aber irgendwie bin ich heute schon so voll
Informationen, dass ich gar nicht mehr aufnahmefähig bin. Danke für
alles, ich werde viel zu verdauen haben.
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