Mittwoch, 29. April 2015

Kapitel 19: Alles halb so schlimm


Frische Kokosnuss. Absolut lecker! Und fertig geschnitten kann man das auch noch kaufen. Genial. Und doch kam in mir die alte Denkweise hoch. "Aber paß auf, iss nicht so viel davon. Ist sehr fettig." Ja, bis zu 40 g Fett pro 100 g Nuss. Ist ja schließlich Nuss. Vormittags wollte ich Inlineskaten, aber die Bremse ist defekt und so blieb ich zu Hause und wir haben mit dem Mann gekuschelt. Er ist nach dem Essen in die Spätschicht und ich zu Fuß zur Bushaltestelle. Hat gut getan. Kein Stress, keine Panik, keine Hektik. Einfach nur mit den Hanteln schnell walken. Super! Ich klopfe mir mal auf die Schulter.

Kapitel 19: Alles halb so schlimm
Eine gute Portion Schokolade habe ich schon gebraucht, um mutig zum Termin zu gehen. Ich war positiv überrascht. Irgendwie habe ich mir diese Frau ganz anders vorgestellt, älter und schlanker. Ja, irgendwie dachte ich mir, wenn jemand Ernährungsberatung macht, dann muss er schlank sein. Aber erstens ist es keine Ernährungsberatung in dem Sinne und zweitens komme ich mit der jungen Frau super zurecht. Sie ist freundlich, nett, hört aufmerksam zu, stellt passende Fragen und hat die schönsten Locken, die ich je gesehen habe.

So habe ich ihr zum Beispiel offenbart, dass ich einerseits schon nach Anerkennung strebe, andererseits aber kann ich diese nicht wirklich annehmen. Paradebeispiel: war neulich schwimmen, es war nicht gerade sonnig, ist ja noch Frühling, es hat genieselt und es war ziemlich kühl. Da fahre ich nach Hause und treffe meine Cousine, die mich sichtlich bewundert. Bei dem Wetter, Mensch, da muss man schon abgebrüht sein. Und ich? Ich stehe da und sage nur: Ach, Quatsch! Was ist schon dabei...
Die liebe Frau bei der Beratungsstelle meinte, wie wäre es wenn Sie einfach „Danke“ sagen? Sich einfach für die Anerkennung bedanken? Hm, das klingt gut, Neu, aber gut. Sie hat mir klar gemacht, dass ich es einfach nicht gelernt habe, wie man damit umgeht. Ich wurde als Kind selten so richtig gelobt oder bewundert. Naja, die anderen Kinder haben es vielleicht schon getan, weil ich mehr Spielsachen hatte. Aber von meinen Eltern kam mir das zu selten. Ich fühlte mich öfter unnütz, die waren mit dem Leben eigentlich eh schon überfordert. Ein harter Job, viel körperlicher Einsatz und zu Hause wartet der Selbstversorger-Garten. Meine Ma hat ja auch noch viel genäht für mich.
Aber bevor ich abschleife, die Frau sagte mir, dass es normal ist, nach Anerkennung zu streben. Und dieser Gedanke kommt mir nun gar nicht so fremd vor. Ich mache mir keine Vorwürfe mehr, wenn ich mich danach sehne, von den anderen mal ein paar nette Worte zu hören. Fühle mich ein wenig, wie eine Katze, die gestreichelt werden möchte.
Außerdem haben wir mit ihr mein Frühstück besprochen. Und was stellt sich da heraus? Ich habe Schuldgefühle. Ich habe doch gar nicht so viel gegessen, habe aber das Gefühl, dass ich es nicht darf, dass ich kein Recht darauf habe. Schon lustig. Ich denke also in meinem Innersten, dass ich nicht berechtigt bin mal so richtig zu schlemmen. Ein Stück Brot, eine Mini-Portion Butter und eine Tasse Tee. Ja, damit würde ich mich wohl fühlen. Aber das reicht mir nicht. Reicht meinem Körper nicht. Und selbst bei Brot würde ich denken: das war aber nicht Rohkost! Wie kannst du nur?! Und BUTTER?! Ein grüner Smoothie, ja da hätte ich ein gutes Gewissen. Aber manchmal will ich auch mal Käse zum Frühstück. Und manchmal gelingt es mir sogar ziemlich gut, ihn zu genießen und auch danach keine Probleme damit zu haben, dass ich gerade eben ganze drei Scheiben Käse gegessen habe. Manchmal gelingt mir das intuitive Essen ziemlich gut. Manchmal.
Und zum Schluss hat mich die Frau ein wenig gebremst. „Nicht alles auf einmal, sonst geht die Motivation verloren. Geduld und Ruhe.“ Ihre Worte haben mir eine Sicherheit gegeben, dass alles gut wird. Ich habe viel Zeit um dieses Problem zu lösen. Ich muss nicht alles von heute auf morgen erledigen. Es geht auch langsam. Neu, ungewohnt, aber es fühlt sich verdammt gut an.
Es war gut, dahin zu gehen. Es war gut.
Als ich zu Hause ankam, habe ich über alles nochmal nachgedacht und mir kamen sofort eine Menge Themen in den Sinn, die ich mit ihr noch besprechen möchte.Zum Beispiel: Warum wird mir manchmal schwindelig nach dem Verzehr von Süßkram.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen