Dienstag, 5. Mai 2015

Meine Geschichte oder wie kommt man zu einer Orthorexie

 Ich habe in einem Forum ein Feedback verfasst, das ich hier einfach so ungeändert rein bringe. Mein Krankheitsverlauf in Briefform.

Liebe Alexandra,

ich bin dir sehr dankbar, dass es dich und deine Lektionen gibt. Ich finde es toll, was du machst, Aufklärung ist immer gut. Und doch habe ich bei mir eine nicht ganz eindeutige Reaktion fest gestellt. Einerseits: Ja, sie hat Recht, du bist so nachlässig geworden und andererseits: oh, das gefällt mir aber gar nicht. Ich finde dich und deine Art sehr sympathisch und werde dir einfach mal meine Geschichte erzählen. Mal den Hintergrund von mir.


Meine ersten Abnahmeversuche habe ich ich mit 15-16 gestartet. Ich war nicht dick, eher kräftig gebaut, nicht zierlich. Das was du in Lektion 2 erzählst, habe ich schon damals begriffen und mir gesagt: Kein Zucker rund kein Weißmehl. Es war Angst, die mich dazu trieb. Angst vor dem Dicksein. Heute esse ich sehr wenig Zucker und meide Weißmehl, weil es mir einfach gut tut. Spürbarer Unterschied, oder? Es ist nicht verboten, daher esse ich davon wenig.

Aber zurück zur Geschichte. Als ich mit 18 meine erste eigene Wohnung hatte, waren in meinem Einkaufskorb: Obst, Gemüse, ein wenig Milch- und Getreideprodukte. Ich hatte überhaupt keine Süßigkeiten im Haus, abgesehen von den Bio-Gummibärchen aus Saft und Gelatineersatz. Ich nahm aber nicht ab. Ich machte Sport, bewegte mich viel und es passierte doch nichts. Dass ich mich fit und vital fühlte, das war mir egal. Ich wollte schlank sein.

Mit 20 zog ich zum Studieren nach München und hier begann die Hölle. Ich war mit den Anforderungen des zweiten Kurses überfordert und habe Süßes und "Verbotenes" als Trostpflaster gebraucht. Ich hatte keine anderen Stressbewältigungsformen kennen gelernt. Das weiß ich jetzt, damals machte ich mir furchtbare Schuldgefühle. Und Scham kam hinzu. Du als Übergewichtige, du darfst kein Eis essen. So dauerte es nicht lange, bis ich in Bulimie rein rutschte.

Vor drei-vier Jahren habe ich in einer schwierigen Phase meines Lebens das Buch von Shatalova "Wir fressen uns zu Tode" gelesen und habe mich zu den Rohkostveganern bekannt. Das heißt: nicht nur kein Zucker und Weißmehl. Kein Brot (da ist Hefe drin), keine gekochten Speisen (tote Vitamine), keine Milchprodukte (tierisches Eiweiß kann der Mensch nicht verdauen).

Was dann? Rohes Gemüse und Obst, Honig, Rohkost-Cracker, rohe Getreidebreie. Weißt du worauf ich hinaus will? Ich hatte so nach und nach immer weniger Produkte auf der "Erlaubt"-Liste. Ich hatte aber nicht gelernt meine Emotionen ohne Essen in den Griff zu bekommen. Und ich bin froh, dass ich das nicht durchhalten konnte. Denn dann hätte ich sicherlich irgendwann den Hafer gestrichen, weil er schleimt oder weil er sonst irgendwie schädlich für den Körper ist. Und dann die Avocados (zu fett) oder die zu süßen Früchte. Ich wäre sicherlich bei Magersucht gelandet.

Jetzt mit 33 arbeite ich mit Psychologen an meiner Orthorexie, die Bulimie hab ich hinter mir. Angefangen hat es aber alles beim Zucker, daher meine Reaktion. Ich verteufele keine Produkte mehr und habe gelernt, dass jeder Bissen ein gesunder Bissen ist, wenn es mit Genuss verbunden ist. Sei es nun Karotte oder Schokotorte.

Entschuldige, wenn ich evtl. verletzend gewirkt habe. Ich lehne deine Videos nicht ab, sie rufen in mir nur einen Widerstand auf. Ich fühle mich bedrängt und versuche sofort meine Grenzen zu verteidigen. Und hier danke ich dir nochmals. Denn ich habe dank dir verstanden, was mir wichtig ist. Was ich verteidigen möchte.

Ich freue mich schon auf das Achtsamkeits-Video aus der Lektion 8.

LG
Christina

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