Mittwoch, 20. Mai 2015

Ketzerische Gedanken aus dem Buch von Elyse Resh und Evelyn Tribole

Ich habe mir lange Zeit gelassen und habe mich nun doch aufgerafft etwas weiter zu machen mit dem Buch. Meine Motivation ist: Ich würde das Buch gerne einer guten Freundin ausleihen. Dafür muss ich es fertig gelesen haben und über alle meine Lesezeichen darin reflektiert haben.

Seite 204

Beim Essen gibt es eigentlich keinen Platz für Schuldgefühle. Wenn Sie Schuldgefühle durch Mitgefühl mit sich selbst ersetzen, sind Sie eher in der Lage, sich auf die zugrunde liegenden Probleme zu konzentrieren.

Da, wo ich gedacht hatte, jetzt hast du es geschafft, da kamen sie wieder hoch. Es gab Kuchen, weil ich meinem Mann den ersten Tag bei einer Schulung versüßen wollte. Und ich aß davon ein normales Stück. Nein, gelogen, eigentlich ein kleines Stück. Es war oberhammer-super-lecker! Und doch meldete sich die Polizei nach einer halben Stunde. Was hast du getan! Wie konntest du nur? Das war doch eine Zuckerbombe! Da war es auch nicht wichtig, dass es lecker war und ich mit der ganzen Familie ein schönes Erlebnis hatte. Wie könnte ich in diesem Moment Mitgefühl mit mir haben? Mein Buddy aus dem "Fit ist sexy" Kurs hat mir gesagt: Nimm es einfach an. Ja, ich fühle mich gerade schuldig. Habe zwar keinen Grund dafür, aber ich fühle gerade so. Hexisches pling-pling und ta-da, mir ging es besser.

Ich muss noch lernen, nett und liebevoll zu mir zu sein. Weil ich mich frage: Was ist so Schlimmes passiert, dass ich so viel Trost gebraucht habe? Auf den ersten Blick - nix. Die Kinder wollten den Tisch nicht decken. War draußen in der Sonne, eigentlich muss es mir doch gut gehen. Warum bin ich so schwach, dass ich das zu Süßem greife. Ich sah nicht, dass ich einerseits auch einfach zusammen mit den anderen genießen möchte und andererseits war da doch mehr. Unsere Nachmieterin kam auf mich zu und meinte, die können erst zum 31.7 rein ziehen. Ich habe mich geärgert, weil mir der Vermieter versprochen hatte, dass wir zum 1.6 raus können und den Juni gar nicht mehr zahlen brauchen. Was ich übersehen habe ist: Das eine schliesst das andere nicht aus. Wir können früher raus, habe heute nochmal die Bestätigung bekommen, dass wir den Juni wirklich nicht zahlen brauchen. Geärgert habe ich mich aber. Ich fühlte mich hintergangen, betrogen und einfach mies. Da war der Kuchen eine willkommene Trostmöglichkeit. Nächstes Mal rede ich mit meinem Mann vorher darüber. Am Abend hat er eben gemeint: Cool down, es kann immer noch so laufen, wie du dir das vorgestellt hast. Und Recht hatte er.

Ein intuitiver Esser zu werden heißt auch freundlich und einfühlsam mit sich selbst zu sein.
Einerseits ketzerisch, weil ich doch streng mit mir sein muss / musste. Andererseits spiegelt das meine Entwicklung auch wieder und genau dieser Gedanke war auch in "Eine Minute für mich" von Spencer Johnson. "Nimm dir eine Minute für dich und frage dich, wie kann ich mir gerade etwas Gutes tun?" Ja, einfühlsam und freundlich. Nett und lieb. Nicht streng und hart. Liebevoll. Ich kann zwar gerade nicht verstehen, warum ich dass esse oder essen will, aber ich liebe mich.

... es kann sein, dass das Essen der einzige Bewältigungsmechanismus war, den sie überhaupt hatten, um schwierige Zeiten in Ihrem Leben zu überstehen. 
Dieser Gedanke tut weh. Er gibt mir das Gefühl nicht perfekt zu sein. Ein Looser zu sein. Ich bin kein Einser-Schüler, ich habe etwas nicht gelernt. Ich habe hier falsche Methoden eingesetzt. Oder ich habe etwas Falsches gelernt. Und der Gedanke lässt Wut in mir hoch steigen. Keiner hat es mir beigebracht. Keiner! Wo lernt man in unserer Gesellschaft, wie man richtig mit Gefühlen umgeht? Sei ein braves Mädchen, sei ruhig, schreie nicht rum! Ich habe gelernt, stark zu sein. Sei stark und unterdrücke deine Angst und deine Zweifel. Sei stark und zeige keinem deine Schwächen. Seit stark, sonst wirst du verletzt. Und wenn du mal nicht stark sein kannst, dann fühle dich schuldig, denn du warst nicht gut genug. Essen war mein Therapeut, er dämmt den Schmerz, er lässt mich Ängste und Selbstzweifel vergessen, er ist einfach immer da. Was anderes hab ich nicht gelernt.

Gerade deshalb ist der nächste Gedanke so ketzerisch:
Sich ab und zu Essen als Trost zu gönnen, kann Teil einer gesunden Beziehung zum Essen sein (S. 206)
Ab und zu. Wie definiert man das genauer? Einmal in der Woche? Einmal täglich? Nein, anders. Wenn man andere Methoden kennt und anwenden kann. Wenn ich mich auch anders trösten kann. Ich mich selbst. Nochmal: wenn ich mich auch ohne Essen selbst trösten kann. Ich. Mich selbst. Ohne Essen. Das ist eine Herausforderung. Ich wüßte, wie mich andere trösten könnten: mir liebe Worte sagen, mir sagen, dass es nicht so schlimm ist, dass alles in Ordnung ist und mich in den Arm nehmen. So wie ich das bei meinen Töchtern mache, wenn sie mal hinfallen oder sich über etwas aufregen. Bei der Großen merke ich, wie wichtig es ihr ist, das sich verstehe, dass das zerlaufene Bild wirklich ein Drama ist.  Für sie. Für mich ist es nur ein Bild. Für sie ein Disaster. Für jemanden ist es nur ein Stück Kuchen, für mich ist es eine Weltuntergang. Hey, ich werde es mir selbst geben! Ich werde mich selbst in den Arm nehmen und mir sagen: Ist alles halb so schlimm. Ich liebe dich, egal wie du handelst. Ich finde diese Handlung vielleicht nicht okay, aber ich liebe dich. Hm, füllt sich gut an. Richtig gut.

And last but not least:
Es kann leicht zur Gewohnheit werden, bevor Sie es überhaupt merken (S. 207 Essen zur Beruhigung)
Ja, das ist es. Es kann einfach leicht zur Gewohnheit werden. Und heute habe ich erst gelesen:

Wenn du was verändern willst, musst du deine Gewohnheiten ändern.

Dafür muss es einem aber erstmal aufgefallen sein, dass man diese Gewohnheit hat. Somit wären wir wieder bei der Achtsamkeit und bei "bleib mit deiner Aufmerksamkeit bei dem, was du tust".

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